Fair Trade vs. Direct Trade
Was ist der Unterschied zwischen Fairem und Direktem Handel? Und was ist fair?
„Das jetzige System ist Etikettenschwindel und unehrlich gegenüber dem Kunden. Da mach ich nicht mehr mit!“
Schokolade-König Josef Zotter, im August 2018, bei seinem Ausstieg aus Fairtrade
Der Konsument von heute ist mehr denn je daran interessiert, woher Konsumprodukte stammen bzw. die Umstände unter denen sie produziert wurden. Dieses Wissen um die Nachhaltigkeit beruht im Grunde genommen auf drei Säulen: der Sozialverträglichkeit, der Umweltverantwortung und dem rentablen Wirtschaften. Im Kaffeesektor sind das vor allem der Preis, den der Kaffeebauer erhält und die Arbeitsbedingungen aller mit dem Anbau beschäftigten Personen.
Unter diesen Prämissen sind die großen Zertifizierungsfirmen, wie Fairtrade oder Utz, vor mehr als 20 Jahren angetreten, um gewisse Ungerechtigkeiten innerhalb der Produktionskette zu verringern. Ein grundsätzlich toller Gedanke – aber reicht das heute noch aus, um den Anforderungen eines veränderten Kaffeemarktes gerecht zu werden?
„Nein“ sagen viele, besonders die vielen Kaffeeröster, die sich auffallend oft dem „Direct Trade“ zuwenden. Grund genug für uns, die Pros und Contras zu durchleuchten:
- Die Ausgangssituation
Ende der Neunziger Jahre begannen gerade die ersten Bestrebungen in Richtung „Spezialitätenkaffees“. Bis zu diesem Zeitpunkt war Kaffee ein reines Massenprodukt, die Bohnen wurden durch einige wenige große Kaffeeröster mehr oder (eher) weniger veredelt. Überproduktionen, Preisverfall und Kaffeekrisen waren an der Tagesordnung. In diesem Umfeld waren neue Labels, wie z.B. Fairtrade eine wertvolle Einführung, die vielen Kaffeebauern faire Preise und soziale Standards garantieren sollten.
„Fair Trade hat die Weichen in Richtung Einbeziehung der
Kaffee-Bauern in die Wertschöpfungskette gestellt. So gesehen ist Direct Trade
eine logische Konsequenz daraus. (Martin Kienreich)
- Qualität als neuer Faktor
Die Märkte haben sich jedoch verändert, denn mittlerweile sind hunderte kleinere Kaffeeröster fixer Bestandteil des Marktes, genauso wie die Kaffeespezialitäten, die sie rösten. Single Origins, Lagen- und Plantagenkaffees, Hinweise auf Ernte und Aufbereitung, alles zeigt in eine Richtung und diese Richtung heißt Qualität! Und genau dieser Qualitätsgedanke ist ein Grund, warum sich viele Kaffeeröster, weg vom Label hin zum Direct Trade begeben. Ein guter Koch sucht auch den direkten Kontakt zum Produzenten, als Sicherheit, zur Qualitätsverbesserung und als garantierte Abnahme.
Die Kaffeeröster sind bereit mehr zu zahlen, mehr als den Fairtrade-Betrag, auch viel mehr, allerdings muss die Qualität passen. Diese Anreize können durch Direct Trade gegeben werden: „Produzierst Du besser, dann bekommst Du mehr Geld“ – ein Anreiz der z.B. bei den Labelfirmen fehlt. Sondern ganz im Gegenteil: bei Fairtrade bekommt der Kaffeebauer einen Differenzbetrag vom Weltmarktpreis zu seiner Kaffeequalität. Aber hat das nicht zur Folge, dass eine Kooperative immer den Kaffee an Fairtrade verkaufen wird, der den schlechtesten Marktpreis erzielt – schon um den Differenzbetrag am Maximum zu halten?
„Solange Fairtrade nicht an die Qualität gekoppelt wird,
bleibt Fairtrade ein reines Marketinginstrument
(Roger Wittwer, Kafischmitte Schweiz)
- Der Preis als Problem
Besonders der Preis steht in der Kritik an Fairtrade ganz oben. Der bezahlte Preis an den Kaffeebauern ist defacto zu nieder und nicht existenzsichernd. Im Direct Trade werden das zwei- bis vierfache bezahlt. Manchmal auch mehr, aber das geht eben mit der erwähnten Qualität einher. Einige Röster sprechen davon, dass selbst eine zweieinhalbfache Prämie im Vergleich zu Fairtrade noch immer nicht für ein sorgenfreies Leben der Kaffeebauern ausreicht. Tatsächlich haben sich die Ansprüche an die qualitativ hochwertige Kaffee-Produktion stark verändert. Fairtrade entgegnet, dass es hier nicht nur um den Preis geht. Die Standards von Fairtrade im ökonomischen, sozialen und ökologischen Bereich stellen sicher, dass die Kaffeebauernfamilien auf vielen Ebenen nachhaltig profitieren. Und diese internationalen Standards schützen die Bauern.
Die Kaffee-Experten von Cult Caffè drücken das Preisproblem so aus:
„Fair Trade garantiert den Mitgliedsbauern einen fairen Grundpreis. Dies ist natürlich ein gutes Argument, aber nur solange der Weltmarktpreis unter diesem Level liegt. Werden höhere Markt-Preise geboten, so verkauft der Farmer seinen Kaffee am freien Markt und die schlechtere Qualität zum garantierten Preis der Fair Trade Organisation. Direct Trade ist hingegen unabhängig vom Börsenpreis“.
- Der moderne Röster ist bestrebt, einen nachhaltigen Kaffee mit einer authentischen Geschichte im Sortiment zu haben
„Der Trend bei Rohkaffee geht eindeutig zur „Rückverfolgbarkeit“ (Traceability) sowie zur jeweiligen Geschichte des Kaffeebauern oder Kaffee-Kleinbauern-Kooperativen und der Region woher der Rohkaffee stammt“, so bringen es die Kaffeeprofis von Cult Caffè auf den Punkt. An dem „Orang-Utan Projekt“ z.B. in Sumatra (orangutan.coffee) sind mittlerweile 50 Röster in ganz Europa beteiligt, der Mehrwert geht direkt in die Rettung des Regenwaldes, der Heimat der Orang-Utans.
Der Zertifizierer Utz setzt auf das Instrument der Rückverfolgbarkeit. Diese macht alle Schritte in der Lieferkette sichtbar und nachvollziehbar. Einzelhändler und Marken, die UTZ-zertifizierte Produkte verkaufen, können die Geschichte hinter ihren Produkten teilen, indem sie einen Online-Tracer auf ihrer eigenen Homepage setzen. Über den sogenannten Tracer kann jeder Konsument nachverfolgen, woher der von ihm gekaufte Kaffee stammt.
Auch Fairtrade unternimmt Anstrengungen in Richtung Traceability, doch das Hauptproblem ist der Umstand, dass die Labels inflationär gebraucht werden – weder der zertifizierte „Turnshuh bei Lidl“, noch eine Quotenregelung für die Multis tragen zur Förderung der Glaubwürdigkeit der Labels bei.
Das Label alleine reicht auch nicht mehr aus, es besteht ein Bedürfnis zur Transparenz in der Produktionskette – die Menschen sind aufgeschlossener als vor ca. 20 Jahren, sie wollen mehr wissen!
Auch die Firma Schärf sieht sich im Direct Trade bestätigt: „Wir betreiben direkten Handel mit unseren Kaffeefarmern und setzen so in punkto Transparenz und Nachhaltigkeit im Kaffeehandel seit vielen Jahren neue Standards. Durch die nachhaltigen Kontakte und den fairen Umgang mit unseren Produzenten können wir die wichtigsten Voraussetzungen für die höchste Qualität unserer Produkte garantieren – Verständnis, Vertrauen sowie die Leidenschaft für den Kaffee. Das gegenseitige Verständnis ermöglicht es uns auch, die Farmer projektbezogen direkt zu unterstützen, wo Hilfe benötigt wird“.
- Wo liegen mögliche Probleme bei Direct Trade?
Es fehlen einerseits die perfekte Kontrolle als auch die verbindlichen Standards, doch an die Stelle der Zertifizierung rückt die totale Transparenz. Bei den meisten Direct Trade Projekten kann man jeden auch noch so kleinen Fortschritt und jedes Procedere online verfolgen.
Andererseits ist für kleine Röster auch der Aufwand für Kontrolle und Qualitätssicherung sehr groß und eventuell von den großen Zertifizierungsunternehmen leichter zu bewältigen.